Ansprache des Schulleiters anlässlich der Neueinweihung der
Anna-Freud-Schule am 26.02.2011 – 11:00 Uhr
Liebe Schülerinnen und Schüler und Eltern,
sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Gäste!
Wir feiern heute die gelungene Sanierung und Erweiterung unserer Schule. Ich freue mich darüber, dass viele Menschen der Einladung gefolgt sind und so ihr Interesse an der Anna-Freud-Schule bekunden.
Es ist mir eine Ehre, Sie heute zu diesem freudigen Anlass im Namen der gesamten Schulgemeinde begrüßen zu dürfen und schließe mich den freundlichen Begrüßungsworten von Frau Rauschmaier-Hohl und Frau Hofmann an.
Ich freue mich auch ganz besonders darüber, dass heute meine Familie und Freunde hier sind.
Der Landkreis Gießen hat im September 2008 entschieden, die Anna-Freud-Schule vollständig zu sanieren und ganztagsfähig auszubauen. Mit diesem Votum haben die Entscheidungsträger des Landkreises einen wesentlichen Beitrag für den Erhalt und die Weiterentwicklung unseres förderpädagogischen Angebots und der hier vorhandenen Kompetenzen geleistet.
Über das Ergebnis können Sie sich heute ein Bild machen.
Ich kann Ihnen sagen, wir fühlen uns hier wohl! Wir sind zwar immer noch nicht ganz vollständig eingerichtet, denn das pädagogische Tagesgeschäft steht nun mal an erster Stelle.
Die Sanierung und Erweiterung der Schule versetzt uns dazu in die Lage, unsere pädagogische Arbeit und die anstehenden Schulentwicklungsprozesse zeitgemäß zu gestalten und Angebote wie die Pädagogische Mittagsbetreuung, einschließlich Mittagessen in schönen Räumlichkeiten, anzubieten.
Wir verfügen nun über funktionale und gleichzeitig auch schöne Fachräume, Räume für die Mittagsbetreuung und auch ganz besondere Bereiche wie beispielsweise einen Snoezelraum, um den vielfältigen Bedürfnissen der uns anvertrauten Kinder gerecht werden zu können.
Kurz gesagt: Unsere Schule ist jetzt so ausgestattet, wie wir uns es vorstellen.
Im Sinne aller Kinder und Jugendlichen und deren Familien freue ich mich daher über die wegweisende Entscheidung des Landkreises und spreche im Namen der gesamten Schulgemeinde dafür unseren Dank dafür aus.
Die Investition in unsere Schule verstehen wir als Auftrag, zeitgemäße pädagogische Konzepte zu entwickeln und umzusetzen.
Bevor ich auf die aktuelle Entwicklung der Schule eingehe, gilt es einen lohnenswerten Blick in die Vergangenheit zu werfen. – Folie Frau Lipp
Vor etwas mehr als 40 Jahren wurde dieses Gebäude eingeweiht. Am 24. Oktober 1970 wurde es als „Mittelpunkt-Sonderschule“ seiner Bestimmung übergeben –zeitgleich mit der benachbarten Erich-Kästner-Schule.
Die erste Schulleiterin Frau Elly Lipp hat fast vier Jahre für den Bau einer eigenständigen „Sonderschule“ in der Stadt Lich gekämpft.
Von 1964 – 1970 waren die damaligen Klassen der Schule noch an unterschiedlichen Standorten in der Stadt untergebracht.
Letztlich ist es dem unermüdlichen Einsatz von Frau Lipp zu verdanken, dass die Anna-Freud-Schule heute auf eine, insgesamt betrachtet, 47-jährige Geschichte zurückblicken kann.
An dieser Stelle möchte ich meinen Vorgängerinnen und Vorgängern, aber auch allen ehemaligen Lehrkräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meine Anerkennung für die geleistete Arbeit aussprechen.
Ich habe mit Interesse die Chronik der Schule gelesen. Die erste Rektorin Frau Lipp schrieb am Ende ihrer Dienstzeit ihre Gedanken nieder. Ihr Resümee ist kritisch.
Ich zitiere aus ihren Ausführungen aus dem Jahr 1976:
„Der Besuch der SLb ist plötzlich wieder eine Schande. Anstatt die Arbeit der der SLb anzuerkennen, sie positiv zu beurteilen und sie als Teil des Schulsystems anzuerkennen, würdigt man Sie herab und macht die Arbeit der Lehrer schlecht. […]
Am liebsten würde man die SLb ganz verschwinden lassen, weil man nicht imstande ist, sie gesellschaftlich zu integrieren, und dann glauben, der ´soziale Missstand` sei behoben, obwohl er nur verdeckt worden ist. […]
Diese Entwicklung bereitet dem tiefen Kummer, der sich beruflich und menschlich den durch welche Umstände auch immer schwerer lernenden Kindern und ihren Eltern verschrieben hat.“
Es ist nicht schwer, in den Zeilen von Frau Lipp gewisse Parallelen zur heutigen Zeit auszumachen. Der Autor des folgenden Zitats ist leider nicht bekannt, beschreibt aber treffend die Situation:
„Zukunft ist die Vergangenheit, die durch eine andere Tür wieder herein kommt.“
Frau Lipp hat bereits 1976 darauf hingewiesen, dass es nicht damit getan ist, die „SLb“ aufzulösen. Die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Handicaps ist die eigentliche Aufgabe.
Ich bin der Auffassung, dass es nicht genügt, die heutigen Förderschulen aufzugeben oder wie es heute heißt „in der Regelschule aufgehen zu lassen“. – Folie 2 – Grafik -
Gerade heute, genau in der Zeit in der es darum geht, gemäß den geltenden UN-Konventionen über die Rechte von Menschen mit Behinderung auch in Deutschland ein inklusives Schulsystem zu schaffen, benötigen wir Beratungs- und Förderzentren wie die Anna-Freud-Schule.
Ich möchte Ihnen einige Gründe nennen.
- Wir verfügen über langjährige förderpädagogische Erfahrung, Fachwissen und Kompetenz.
- Wir haben das System der präventiven Förderung herausgebildet und stärken so die Integrationsfähigkeit der Regelschulen.
- Wir ermöglichen jungen Förderschullehrkräften in der zweiten Phase der Lehrerausbildung eine fundierte praktische Ausbildung und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der förderpädagogischen Kompetenz.
- Wir haben uns, und da zitiere ich erneut Frau Lipp, beruflich und menschlich den durch welche Umstände auch immer schwerer lernenden Kindern und ihren Eltern verschrieben“.
Das bedeutet: Inklusion benötigt Erfahrung und Kompetenz.
Es ist zu erkennen, dass die Weichen am Schulstandort in Lich, aber auch an weiteren Schulen in unserem Einzugsgebiet auf „Zusammenarbeit“ gestellt sind. Ein Ausbau der bereits vorhandenen Kooperationen ist in Vorbereitung und neue sind bereits angedacht. Wir haben dazu die ausschlaggebenden Impulse gegeben. Dies stimmt mich hoffnungsvoll.
Als wegweisend sind aus meiner Sicht die neu entstanden Kooperationen mit der hiesigen Dietrich-Bonhoeffer-Schule und der benachbarten Erich-Kästner-Schule zu nennen.
Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Dietrich-Bonhoeffer-Schule können sich leistungsstarke Jugendliche unserer Schule auf die landesweite Hauptschulabschlussprüfung vorbereiten. Wir konnten bereits im letzten Jahr gute Ergebnisse verzeichnen.
Das bisherige Resultat unserer Auseinandersetzung mit dem Thema „Inklusion“ ist eine jahrgangsübergreifende kooperative Eingangsklasse mit inklusivem Handlungsansatz, die gemeinsam mit der benachbarten Erich-Kästner-Schule auf den Weg gebracht wurde.
Entgegen der Erwartung von vielen Beobachtern ist die Kooperationsklasse bei uns, also in der Förderschule, verortet. In Übereinstimmung mit dem vorliegenden Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Oktober letzten Jahres sind wir der Überzeugung, dass sich Förderschulen gegenüber Kindern ohne Handicaps öffnen können, um auch hier gemeinsames Lernen zu realisieren.
Wir möchten neue Erfahrungen sammeln und durch gute Arbeit und gute Ergebnisse überzeugen.
Wir möchten dazu beitragen, dass zwei Schulformen sich öffnen und ihre pädagogische Arbeit eng verzahnen und dazu beitragen, dass auf diesem Weg Vorurteile in der Gesellschaft gegenüber Minderheiten und Randgruppen abgebaut werden.
Sie sehen, die Anna-Freud-Schule hat sich am Schulstandort Lich als „Kooperationsschule“ positioniert. Gemeinsam mit unseren Partnern machen wir moderne Lernangebote. Die geschaffenen Ressourcen werden benötigt und die Möglichkeiten werden genutzt.
Ich möchte an dieser Stelle den römischen Philosophen Seneca zitieren: - Folie 3 -
„Wir können zwar nicht die Windrichtung bestimmen, aber wir können die Segel richtig setzen.“
Ich bin davon überzeugt, dass das Team der Anna-Freud-Schule die Segel richtig gesetzt hat und auf einem guten Weg ist, ein modernes Kompetenzzentrum im Sinne einer Angebotsschule zu werden.
Es ist mir ein Anliegen, abschließend Danke zu sagen:
Als erstes sage ich allen eine großes Danke, die die heutige Feier auf die Beine gestellt haben: Kinder und Eltern, Mitarbeiter und Lehrkräfte und natürlich denen die uns finanziell und logistisch unterstützt haben.
Im Namen der gesamten Schulgemeinde möchte ich mich bei allen verantwortlichen Entscheidungsträgern des Landkreises Gießen bedanken. Ihre wegweisende Entscheidung hat die weitere Entwicklung der Schule maßgeblich beeinflusst.
Besonderer Dank gebührt dem Schuldezernenten und Hauptamtlichen Kreisbeigeordneten Herrn Siegfried Fricke.
Mein Dank gilt auch allen Gewerken, die die Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten durchgeführt haben. Das Ergebnis ihrer Arbeit kann sich wirklich sehen lassen!
Natürlich möchte ich mich bei dem Architekturbüro Seidel + Muskau und Mitarbeitern, namentlich bei Frau Karla Seidel und Frau Stefanie Muskau bedanken, die für die gesamte Planung und die Bauleitung verantwortlich waren.
Es ist ihnen gelungen, Altes und Neues sinnvoll miteinander zu verbinden und eine ausgewogene Balance zwischen den Erfordernissen bezüglich einer energetischen Sanierung und den Bedürfnissen zeitgemäßer und zukunftsorientierter Pädagogik herzustellen.
Auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Dezernats Schule, Bauen, Sport des Landkreises Gießen gebührt Dank. Die Zusammenarbeit in den letzten beiden Jahren war ausgesprochen angenehm.
Dank möchte ich in aber auch an die Nachbarschulen und an die Kreisvolkshochschule in Lich richten, die uns in den letzten Monaten in vielerlei Hinsicht unterstützt haben.
Abschließend möchte ich es nicht versäumen, mich an dieser Stelle bei allen Kolleginnen und Kollegen und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Anna-Freud-Schule für den vorbildlichen Einsatz zu bedanken.
Die Schule ist in den letzten 18 Monaten zweimal vollständig umgezogen und die pädagogische Arbeit am Standort Jahnstraße war mit vielen Einschränkungen verbunden. Alle haben sich, teilweise weit über die Dienstpflichten hinaus, für „Ihre Schule“ eingesetzt.
Darüber hinaus haben wir in den letzten Monaten, bezogen auf die konzeptionelle Weiterentwicklung der Schule, ein beachtliches Tempo vorgelegt. Ohne dieses ausgesprochen engagierte und motivierte Team wäre dies alles nicht möglich gewesen.
Ich bin stolz darauf, diesem Kollegium vorstehen zu dürfen.
Herzlichen Dank!
Gez.:
Rainer Berk
Schulleiter der Anna-Freud-Schule